Antworten: Prof. Ingo Gestring

Antworten auf den Fragenkatalog zur Rektorinwahl von Ingo Gestring

 

1. Wie würden Sie die beiden Bereiche Forschung und Lehre wichten?

Bei der Gründung der Fachhochschulen kam dem Bereich der Lehre eine größere Bedeutung zu als dem Bereich Forschung. Mittlerweile haben sich die Fachhochschulen, heute Hochschulen für angewandte Wissenschaften, auch in der Forschung etabliert. Die anwendungsorientierte Forschung ist heute ein wesentlicher Bestandteil der Forschungslandschaft. Gute Lehre an Hochschulen ist ohne diese Art der Forschung kaum möglich. Insofern bedingen sich Lehre und Forschung. Leider findet die Thematik Forschung in der Grundausstattung der Hochschulen für angewandte Wissenschaften noch zu wenig Berücksichtigung. Die meisten Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer werden zudem die meiste Zeit ihrer Arbeit im Bereich der Lehre aufwenden müssen um ihr Lehrdeputat erfüllen zu können. Aus quantitativer Sicht nimmt daher die Lehre mehr Raum ein, qualitativ sind beide Bereiche wesentliche Bestandteile der HTW Dresden.

 

2. Wie sind Sie vernetzt und welche Vorteile ergeben sich daraus für die Hochschule?

Aufgrund meiner langjährigen beruflichen Tätigkeit in Sachsen konnte ich zahlreiche Verbindungen gerade im Raum Dresden aufbauen. Dieses betrifft Verbindungen zu beruflichen Organisationen, Unternehmen, Verbänden aber auch der Staatsregierung. International arbeite ich mit Dozentinnen und Dozenten aus verschiedenen Ländern zusammen. Bei Fördermittelgeber wie z.B. der Sächsischen Aufbaubank habe ich ebenso Ansprechpartner wie in Landratsämtern. Deutschlandweit bin ich mit Hochschulen für angewandte Wissenschaft über jährlich stattfindenden Veranstaltungen vernetzt. Dieses betrifft ebenso Akkreditierungsagenturen. Die Hochschule kann davon in verschiedener Weise profitieren, z.B. durch die Vermittlung von Ansprechpartnern zu spezifischen Themen, eine schnelle Informationsweitergabe und die Möglichkeit, ein „Türöffner“ für bestimmte Anliegen zu sein. Darüber hinaus bin ich auch sehr gut innerhalb der HTW vernetzt.

 

3. Inwieweit haben Sie bisher mit studentischen Vertretungen zusammengearbeitet?

Als Studiendekan für verschiedene Bachelor- und Masterstudiengänge habe ich intensiv mit den studentischen Vertretern in den Studienkommissionen zusammengearbeitet, als Dekan in den letzten Jahren mit den studentischen Vertretern des Fakultätsrates. Zudem bin ich mehrmals pro Semester im Fachschaftsrat um aktuelle Themen zu besprechen.

 

4. Wie sieht Ihrer Meinung nach eine produktive Zusammenarbeit zwischen dem Rektorat und der studentischer Selbstverwaltung aus?

Information, Kommunikation, Vertrauen – diese drei Säulen sehe ich als wesentliche Grundlage für eine Zusammenarbeit an.

 

5. Was sind Ihre Projekte für die ersten sechs Monate Ihrer Amtszeit?

Die Projekte für die ersten 6 Monate gliedern in vier Themengebiete auf:

  • Ein starke Hochschulgemeinschaft!
  • Impuls- und Ideengeber!
  • Lehre für die Zukunft!
  • Partner des Mittelstands, der Wirtschaft und der Gesellschaft!

Ich möchte ein Jahresmotto formulieren. Dieses Motto soll die Leistungsfähigkeit der Hochschule für aktuelle Fragen der Gesellschaft nach außen wirksam transportieren, indem u.a. Forschungs- und Projektarbeiten zusammenfassend in einem geeigneten Format präsentiert werden. Um die Sichtbarkeit nach außen weiter zu erhöhen müssen „Leuchttürme“ an der HTW ausgebaut oder neu entwickelt werden. Eine wesentliche Aufgabe wird die Sicherstellung von Arbeitsplätzen im Rahmen des „Zukunftsvertrag Studium und Lehre stärken“ sein. Darüber hinaus gilt es für die Lehre „Erfahrungen und Erneuerungen“ so zu nutzen, dass alle Absolventen fit für die Aufgaben der ZUKUNFT gemacht werden. Dazu gehört auch, dass unsere Labore, die einen wesentlichen Beitrag zur Praxisorientierung der Lehre liefern, auf dem aktuellsten Stand sind.

 

6. Wie soll man mit dem Rückgang der Studierendenzahl umgehen?

An vielen Hochschulen in Sachsen mit einem ähnlichen Profil wie die HTW Dresden ist die Studierendenanzahl zurückgegangen. Die Absolventinnen und Absolventen unserer Hochschule sind aber nach wie vor gesucht. Die Jobaussichten sind gut. Dieses alleine scheint aber kein Grund mehr zu sein, ein bestimmtes Studium aufzunehmen. Daher müssen wir noch mehr als bisher verdeutlichen, was mit einem Studium an der HTW alles erreicht werden kann. Nicht alles werden wir als Hochschule alleine hinbekommen, können aber mit anderen Partnern daran mitwirken.

 

7. Wie sind Sie auf den Rektorinnenposten der HTW Dresden aufmerksam geworden und was motivierte Sie für Ihre Kandidatur?

Als Mitglied der Hochschule war mir natürlich bewusst, wann hier die Stelle der Rektorin/des Rektors zu besetzen ist. Den überwiegenden Anteil meines Berufslebens bekleidete ich Führungspositionen. Bei meinem vorherigen Arbeitgeber hatte ich eine Managementempfehlung für „weltweite strategische Führungsaufgaben.“ Den Wunsch, diese Art der Tätigkeit auszuüben habe ich auch an der Hochschule nie aufgeben. Nach mittlerweile 10 Jahren an der HTW Dresden haben alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Hochschullehrerinnen und Hochschullehrer sowie die Studierenden einen wichtigen Stellenwert für mich eingenommen. Mit ihnen allen zusammen möchte ich mich dafür einsetzen, die HTW Dresden „Durch Praxis, Zusammenarbeit und Innovation in eine gesicherte Zukunft“ zu führen.

 

8. Was halten Sie vom Hochschulentwicklungsplan des Freistaates Sachsen, bzw. genauer von Zielvereinbarungen?

Zielvereinbarung können Orientierung für alle Beteiligte dieser Vereinbarung geben. Aus einer Strategie können Ziele und daraus Maßnahmen abgeleitet werden. Daher ist zunächst immer die grundlegende Frage zu klären: Was soll zusammen erreicht werden? Die Zielvereinbarung kann dann den Steuerungsprozess erleichtern. Genauso kann eine Zielvereinbarung, gerade wenn sie für einen längeren Zeitraum abgeschlossen wird, aber auch dazu missbraucht werden, Einzelzielen bedingungslos nachzufolgen, nur, weil sie ja so vereinbart worden sind. Dann geraten andere Ziele zu sehr aus dem Fokus. Dieses darf auf keinem Fall erfolgen. Die derzeitige starke Fokussierung auf die Studierendenzahlen ist in diesem aktuellen Zusammenhang fragwürdig. Ich kann mir vorstellen, dass in möglichen zukünftigen Zielvereinbarungen auch die Qualität der Lehre und damit die Zufriedenheit der Studierenden stärker berücksichtigt werden.

 

9. Die HTW Dresden ist systemakkreditiert. Wie stellen Sie sich das interne Qualitätssicherungsverfahren vor und welche Verbesserungen würden Sie anbringen?

Die Systemakkreditierung bescheinigt der Hochschule, dass diese ein Steuerungs- und Qualitätssicherungssystem im Bereich Lehre und Studium installiert hat und betreibt. Dieses ist eine hohes Gut. Eine wesentliche Frage dabei ist, wer die Qualität eines Studienganges und seine Studierbarkeit letztendlich beurteilt. Dazu braucht es die Expertise der Fakultät inklusive einer ausgeprägten Fähigkeit zur kritischen Reflexion, es braucht starke, qualifizierte und eigenständig agierende Fachbeiräte und die umfangreiche Rückmeldung der am meisten vom Studium Betroffenen: den Studierenden selber. Bei der Weiterentwicklung der Systemakkreditierung werde ich darauf achten, dass in Zeiten sich stark verändernder Berufsbilder Studiengänge danach beurteilt werden, ob sie „zukunftsfest“ und für Studierende und potentielle Bewerber attraktiv sind.

 

10. Welche Kriterien stellen Sie an die Posten der Prorektoren und haben Sie schon konkrete Besetzungsvorschläge?

In den Pro-Rektoraten ist in den letzten Jahren eine positive Dynamik entstanden. In Zeiten von Ungewissheit und Veränderungen ist es mir wichtig, dass gerade die Hochschulleitung Menschen in den Mittelpunkt ihres Wirkens stellt. Empathie gegenüber den Hochschulangehörigen gepaart mit Kenntnissen über die Prozesse der Hochschule durch eigene Erfahrungen sind für mich daher wesentliche Punkte. Gedanken zur Besetzung habe ich mir natürlich schon gemacht, es ist an dieser Stelle aber noch zu früh um über konkrete Namen zu sprechen.

 

11. Durch Gremienarbeit, speziell in der studentischen Selbstverwaltung, findet ein starker Kompetenzerwerb statt. Sollte dieser nach Bologna mit ECTS anerkannt werden?

Ich freue mich sehr, wenn Studierende sich in Gremien der Hochschule engagieren. Das hohe Gut der akademischen Selbstverwaltung lebt von dieser Beteiligung. Die studentische Selbstverwaltung lebt sogar hauptsächlich von der Beteiligung der Studierenden. Es ist unbestritten, dass durch die Tätigkeit verschiedene Kompetenzen erworben werden. Für eine Stellungnahme, ob diese Tätigkeit mit Credits anerkannt wird, würde ich zunächst weitere Informationen einholen; die HRK hat dazu Empfehlungen ausgesprochen. Diese würde ich als Diskussionsgrundlage verwenden.

 

12. Welche grundsätzlichen Punkte würden Sie bei der anstehenden Novellierung des Sächsischen Hochschulfreiheitsgesetz anbringen?

Studium, Lehre und Forschung kann dann gedeihen, wenn Hochschulen über eine hohe Autonomie verfügen. Dieses ist der wesentlich Aspekt, der bei der anstehenden Novellierung berücksichtigt werden muss und von mir mit Nachdruck vertreten wird. Auf die Hochschulen ist in den letzten Jahren eine Fülle an neuen Aufgaben übertragen worden. Dieses muss sich in der Finanzierung wiederfinden. Daher ist die Finanzierung von einem „Drei-Säulen-Modell“ zu einem „Zwei-Säulen-Modell“ zu ändern, das Grundbudget muss den gestiegenen Erwartungen an Hochschulen Rechnung tragen und erhöht werden. Der Stellenplan ist in die Verwaltungshoheit der Hochschule zu überführen. Damit stehe ich hinter wesentlichen Forderungen der durch die Landesrektorenkonferenz Sachsen erstellten Schwerpunkte für einen Novellierungsbedarf des SächsHSFG.

 

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